In unserer Interviewreihe haben wir mit Christiane Nelles über die Position der Glasbranche gegenüber dem Thema Flexibilisierung sowie den Einsatz von Hybridtechnologien gesprochen.

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Der Verbleib der Glasindustrie am Standort Deutschland – dem größten in Europa – wird erheblich davon abhängen, Belastungen abzubauen und pragmatische Lösungen zu finden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten.
Welche Position vertritt die Glasbranche gegenüber dem Thema Flexibilität und wie hoch ist die Bereitschaft seitens der Glasunternehmen, einen Beitrag zur Flexibilität zu leisten?
Der Bundesverband Glasindustrie (BV Glas) hat eine Studie zu den Flexibilitätspotenzialen in der Glasindustrie in Auftrag gegeben und die Bereitschaft der Glasindustrie, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist auf jeden Fall da. Wir sind durch den Glasherstellungsprozess allerdings in unseren Möglichkeiten limitiert, da dieser nicht flexibel zu steuern ist, sondern in hohem Maße Kontinuität erfordert. Die gleichmäßige Energiezufuhr ist eine Grundvoraussetzung, um qualitativ hochwertiges Glas zu schmelzen und Schäden an den Glaswannen zu vermeiden. Die Potenziale zur Flexibilisierung werden wir weiter untersuchen.
Wie wichtig sind Hybridtechnologien für den Übergang zu einer klimaneutralen und möglichst flexiblen Glasherstellung, und welche regulatorischen Maßnahmen sind notwendig, um sie einzusetzen?
Hybridtechnologien sind Teil der Transformation der Glasindustrie, da wir den Produktionsprozess nicht in allen Teilbranchen auf eine Vollelektrifizierung umstellen können. Vor allem in der Flachglasindustrie, deren Wannen bis zu 1000 Tonnen Glasschmelze fassen, werden Hybrid- und Super-Hybridwannen eine wichtige Rolle spielen. Aber auch die Behälterglasindustrie setzt auf Hybridtechnologie. Die erste Super-Hybridwanne in ganz Europa wurde von einem Behälterglashersteller in Deutschland im Jahr 2023 in Betrieb genommen. Damit die Transformation – unabhängig ob Elektrifizierung oder Hybridtechnologie – gelingen kann, bedarf es eines massiven Ausbaus der Infrastruktur von Grünstrom und Wasserstoff. Des Weiteren benötigen wir wettbewerbsfähige Energiepreise. Die Energiekosten in Deutschland sind immer noch zwei- bis dreimal so hoch wie in anderen Ländern. Zusätzlich tragen wir Mehrbelastungen durch den europäischen Emissionshandel. Da wir mit Ländern in einem harten Wettbewerb stehen, die diese Belastungen nicht tragen, sind wir auf entsprechende politische Rahmenbedingungen angewiesen.
Welche Anforderungen stellen Industrieunternehmen an eine neue Regulierung der Netzentgelte, auch wenn die flexible Betriebsweise eingeschränkt ist?
An die Neugestaltung der Netzentgelte stellen wir die Anforderung, dass Branchen wie die Glasindustrie, die ihre Prozesse aus technischen Gründen nur marginal flexibilisieren können, nicht „bestraft” werden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist absolut begrüßenswert und ein wichtiger Pfeiler bei der Transformation der Industrie. Die Unternehmen der Glasindustrie können ihre Produktionsprozesse jedoch nur sehr begrenzt flexibilisieren und sollten durch den Entfall der Netzentgeltreduzierung nicht noch zusätzlich belastet werden. Der Verbleib der Glasindustrie am Standort Deutschland – dem größten in Europa – wird erheblich davon abhängen, Belastungen abzubauen und pragmatische Lösungen zu finden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten.
Zur Person
Christiane Nelles ist seit Januar 2025 stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Glasindustrie e.V. Zuvor leitete sie das Geschäftsfeld Klimapolitik und Energiepolitik des Verbandes.