Dr. Indira Dupuis spricht über die Transformation der Chemiebranche als Chance zur Steigerung der Attraktivität von Arbeitsplätzen. Außerdem geht sie darauf ein, wie Transformationsideen durch Beschäftigte weiter in der Gesellschaft verbreitet werden können.
Was verändert sich für die Mitarbeitenden mit der Transformation zur Klimaneutralität der Chemieindustrie und wie können sie von Anfang an im Prozess mitgenommen und motiviert werden?
Die Beschäftigten in der Chemiebranche sind beruflich qualifiziert die Prozesse zu verstehen, da braucht man niemanden mitzunehmen. Sie wissen, dass die bisherigen Planungen mit der Energiekrise teilweise nicht mehr umsetzbar sind. Gleichzeitig sehen sie in den USA den Inflation Reduction Act (IRA) und Initiativen in den Bundesstaaten, wo Unternehmen und Investoren attraktive Bedingungen für grüne Industrie angeboten bekommen. Demgegenüber wird in Deutschland die Schuldenbremse festgezurrt und von prominenter Stelle wurde in dem Zusammenhang sogar die Diskussion zu Klimazielen wieder aufgemacht. Es fehlt an öffentlicher Stimmung für die Transformation der Industrie vor Ort.
Die Beschäftigte in der Industrie verstehen also das Ziel Klimaneutralität sehr gut, aber es gibt große Unsicherheit über das Erreichen der Ziele. Als Fachkräfte in der Chemie sind sie gut aufgestellt, die duale Ausbildung garantiert ein Grundwissen und Kompetenzen, sich neu einzuarbeiten. Sie können sich aber nicht vorbereiten und hören viel Zukunftsmusik. Diffuse Angst steht dann einer positiven Stimmung im Weg.
Können die Beschäftigten als Botschafter für die Transformation gesehen werden? Wenn ja, wie kann man die Transformationsideen weiter in der Gesellschaft verbreiten?
Gewerkschaften und Mitbestimmungsakteure könnten sogar eine zentrale Rolle spielen in der Region als Mediatoren, die erklären können, was geplant wird und was gebraucht wird, damit die Transformation auch stattfindet: Das ist ja die Idee der Transformationsräte, die der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert.
Erwerbstätige aus allen Branchen sind sehr an den Fragen der Umsetzung der Klimaziele auch an ihrem Arbeitsplatz interessiert und sie wollen sich einbringen, wie wir aus Studien wissen. Das können sie grundsätzlich auch und tun das in höherem Maße in Betrieben, in dem die Mitbestimmungsstrukturen etabliert sind. Wobei insgesamt mehr im privaten Umfeld als im Arbeitsumfeld über die Umwelt- und Transformationsthemen diskutiert wird, was darauf hindeutet, dass hier mehr möglich wäre. Die Beschäftigten erwarten gleichzeitig von Politik und Unternehmen, dass sie langfristige Strategien für die Transformation haben, nicht nur Leuchtturmprojekte; hier vor Ort, nicht nur wegen der Arbeitsplätze, sondern auch im Sinne der Klimaziele.
Kann die Transformation als Chance für die Branche zur Steigerung der Attraktivität der Arbeitsplätze gesehen werden? Wie können die Fachkräfte dafür gesichert und gewonnen werden – für große und für kleine bis mittlere Unternehmen?
Natürlich sind Arbeitgeber, die sich gut aufstellen in der sozial-ökologischen Transformation, attraktiv. Oft sind Betriebe der Chemiebranche eingebettet in gewachsene Industriecluster, so dass sich vielfältige berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Wenn die Betriebe dann auch noch die Produktion nachhaltig umstellen wollen und einen Plan dafür haben, dann sind sie attraktiv.
Unattraktiv sind die Arbeitgeber, die keine Perspektive bieten oder bieten können, weil aktuell nicht klar wird, wohin ihre Reise geht. Fachkräfte wollen natürlich Sicherheit und viele wollen vor allem Perspektiven für ihre berufliche Entwicklung, wie auch aktuelle Umfragen der IGBCE zeigen. Für die Transformation werden gerade diese Fachkräfte dringend gebraucht. Bei Aufstiegsfortbildung in Eigeninitiative besteht das Risiko für die Beschäftigten, dass der Arbeitgeber sie nicht unterstützt, es besteht ja kein gesetzlicher Freistellungsanspruch. Ein weiteres Problem ist, dass die Ausbildung deutlich nachgelassen hat und weniger betriebliche Stationen durchlaufen werden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind gut beraten, Netzwerke für Ausbildung und Qualifizierung auszubauen.
Zur Person
Dr. Indira Dupuis
Bereichsleiterin Transformation der Arbeit und Digitalisierung | Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE
Dr. Indira Dupuis ist Bereichsleiterin Transformation der Arbeit und Digitalisierung in der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE in Berlin. Die Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE erarbeitet Material für die politische Diskussion, um fundierte Strategien zu entwickeln die ökologische Modernisierung voranzutreiben und gleichzeitig industrielle Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland zu sichern.
Über die Interviewreihe
In der Rubrik „Drei Fragen an...” kommen Fachleute aus den energieintensiven Industrien zu Wort. Sie geben Einblick in branchenspezifische Aspekte der Dekarbonisierung und sprechen über Strategien für eine klimaneutrale Industrie.
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