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Drei Fragen an... Dr. Heinz Joachim Schaffrath, TU Darmstadt

Papierrollen in der Produktion

Dr. Heinz Joachim Schaffrath ist Leiter des Forschungsbereiches Papierphysik im Fachgebiet Papierfabrikation und mechanische Verfahrenstechnik an der TU Darmstadt. Das Thema Altpapier als Rohstoff ist ein zentraler Fokus seiner Arbeit. Er initiiert diverse Forschungsprojekte im Bereich Verpackung, Recycling und Wiederverwertbarkeit.

Portraitfoto von Heinz Joachim Schaffrath

Welche Folgen hat die EU-Verpackungsverordnung für die deutsche Papierbranche und wie werden die Umweltstandards für neue und recycelte Produkte in der Gesellschaft kommuniziert?

Viele Verpackungen ersetzten zumindest teilweise den Kunststoff durch Fasermaterial. Die für die Papierherstellung unbrauchbaren Anteile werden daher zunehmen und die Branche muss mit diesem Trend umgehen lernen. Da Verpackungen beim Zentralen Register angemeldet werden müssen, besteht für Kunden und Verbraucher die Möglichkeit, sich über die Rezyklierbarkeit des Materials zu informieren. Auch Umweltlabel wie der Blaue Engel helfen, gute Umweltstandards zu identifizieren. Des Weiteren sind viele Papierfabriken nach einem Umweltstandard zertifiziert. Jahresberichte dazu sind öffentlich. Auch die Website „Paperprofile“ bietet von Firmen und Fabriken veröffentlichte Umweltdaten.

Viele Verpackungsprodukte aus Papier wie z.B. Lebensmittelverpackung bestehen aus mehreren Komponenten und enthalten beispielsweise auch Plastik und Aluminium. Sind solche Verpackungsprodukte überhaupt rezyklierbar? Welchen Umfang/prozentualen Anteil nimmt das Papierrecycling in Deutschland ein?

Solange nicht eine Komponente mindesten 95 Prozent des Massenanteils ausmacht, handelt es sich um Verbundverpackungen, nicht mehr um Monomaterial. Dennoch sind solche Verpackungen im Papierkreislauf rezyklierbar. Dazu darf der Anteil an Fremdmaterialien nicht zu hoch sein, denn diese Fremdmaterialien werden bei der Altpapieraufbereitung in der Papierfabrik abgetrennt. Die Sortieranlagen dürfen dabei nicht überlastet werden. Eine gute Faustregel besagt, dass ein einzelnes Verpackungsprodukt zu 80 Prozent aus wiedergewinnbarem Papier bestehen sollte. In der Verdünnung mit anderen Produkten stellt sich dann im Altpapier eine Mischung ein, mit der die Papierfabriken zurechtkommen. So kommt es zu einer Altpapiereinsatzquote in Deutschland von fast 80 Prozent.

Ein einzelnes Verpackungsprodukt sollte zu 80 Prozent aus wiedergewinnbarem Papier bestehen, um im Papierkreislauf rezyklierbar zu sein.

Welche Herausforderungen bringt das Recycling von Papierprodukten für Unternehmen aus unterschiedlichen Industriezweigen mit sich, besonders mit Blick auf das Recycling von Verbundmaterialien?

Insbesondere der Anteil an Verbundverpackungen mit hohem Kunststoffanteil (also auch über 20 Prozent) nimmt zu, ebenso der Anteil an beschichteten Papieren. Grund ist die hohe Recyclingquote, die bei Papier schon besteht, bei Kunststoff aber nicht. Wird ein Teil einer bisher hundertprozentigen Kunststoffverpackung durch Papierfasern ersetzt, steigt zunächst die Rezyklierbarkeit. Der höhere Kunststoffanteil führt aber zu mehr aussortiertem Material auf dem Hof der Papierfabriken, welches entweder entsorgt oder weiter aufbereitet werden muss. Im schlimmsten Fall kann es die innerbetriebliche Sortierung überfordern. Beschichtete Papiere umgehen diese Probleme, da die funktionalen Schichten sich oft in Wasser lösen oder dispergieren lassen. Jedoch können sie sich unter Umständen anreichern und dann zu Produktionsproblemen führen. Dieses Problem ist ganz aktuell Gegenstand der Forschung.

Zur Person

Dr. Heinz Joachim Schaffrath
Leiter Forschungsbereich Papierphysik | TU Darmstadt

Dr. Heinz Joachim Schaffrath studierte Maschinenbau und Papieringenieurwesen an der Technischen Universität Darmstadt und der Ecole Française de Papeterie in Grenoble, Frankreich. Im Jahr 1993 wurde er zum Dr.-Ing. promoviert und ging in die Papierindustrie. Es folgte eine Karriere vom Projektleiter bis zum Betriebsleiter bei Steinbeis Papier Gemmrigheim, Mayr-Melnhof Karton Neuss und Panther Packaging Tornesch. Seit 2010 beschäftigt er sich an der TU Darmstadt mit Themen wie Papierphysik und Papierprüfung. Er ist benannter Experte in verschiedenen DIN- und ISO-Arbeitskreisen, Vorsitzender des DIN-Beirats für Papierprüfung und ehemaliger Vorsitzender des ZELLCHEMING-Arbeitskreises "DATA". An der TU Darmstadt hält Dr. Schaffrath Vorlesungen in der Papierverarbeitung und initiiert Forschungsprojekte im Bereich Verpackung, Recycling und Wiederverwertbarkeit.

Über die Interviewreihe

In der Rubrik „Drei Fragen an...” kommen Fachleute aus den energieintensiven Industrien zu Wort. Sie geben Einblick in branchenspezifische Aspekte der Dekarbonisierung und sprechen über Strategien für eine klimaneutrale Industrie.

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