Heiko Reese ist Leiter des Stahlbüros der IG Metall. Seine Aufgabe in der Gewerkschaft ist die Branchenarbeit für die Beschäftigten der Stahlindustrie.
Was verändert sich für die Beschäftigten durch die Transformation der Stahlindustrie hin zur Klimaneutralität? Wie können diese von Anfang an in dem Prozess mitgenommen werden?
Für Beschäftigte am Hochofen verändert sich alles. Ihren gewohnten Arbeitsplatz wird es zukünftig nicht mehr geben. Statt an einem Hochofen arbeiten sie dann an einer Direktreduktionsanlage. Das löst auch Ängste aus. Deswegen ist es so wichtig, die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, sie umfassend zu informieren und vor allem sie entsprechend zu qualifizieren. Sie mitzunehmen bedeutet, sie zu beteiligen, ihnen Informationen zu geben, sie mitdiskutieren zu lassen, wie ihre Zukunft gestaltet wird. Die Beschäftigten müssen Teil einer Aufbruchstimmung werden: Stahl wird zukünftig klimaneutral hergestellt und damit wird der Arbeitsplatz und der Standort gesichert. Wichtige Multiplikatoren in diesem Transformationsprozess sind die Betriebsräte. Sie vertreten die Interessen der Belegschaft auch im Transformationsprozess. Stahlbelegschaften zeichnen sich durch eine hohe emotionale Bindung zu ihren Jobs aus. Diese Emotionalität ist der Treiber für eine Transformation, die gemeinsam mit den Beschäftigten gestaltet wird, damit die Tradition des Stahlkochens ein grünes Zukunftsmodell wird.
Wie sollten Ihrer Meinung nach die entsprechenden Unternehmensstrategien am sinnvollsten an die Belegschaft in den Betrieben kommuniziert werden?
Kommunikation ist zwar ein wichtiger Baustein, um Mitarbeitende mitzunehmen, noch wichtiger ist es aber, sie zu beteiligen. Kommunikation ist mir da zu einseitig, zu sehr nur in eine Richtung. Bei einer Beteiligung der Mitarbeitenden sehe ich eher Dialogformate, möglichst direkt am Arbeitsplatz, der sich verändern wird. Hier muss geklärt werden, wie die Arbeitsplätze der Zukunft aussehen werden. Hier muss klar aufgezeigt werden, welche Qualifizierung notwendig sein wird. Es müssen auch die Wünsche der Beschäftigten aufgenommen werden. Für die Entwicklung von Unternehmensstrategien sind auch die Betriebsräte und Aufsichtsräte zu beteiligen. Hier ist über die Montanmitbestimmung gesichert, dass die Informationen fließen und die Erkenntnisse in die Belegschaften getragen, bewertet, diskutiert und zurückgespiegelt werden. Mitbestimmung und Beteiligung sind also die entscheidenden Bausteine statt reiner Kommunikation.
Kann die Transformation als Chance für die Stahlindustrie zur Steigerung der Attraktivität der Arbeitsplätze gesehen werden? Wie können notwendige Fachkräfte für die Umgestaltung der Branche gesichert und gewonnen werden?
Transformation ist ganz klar eine Chance. Eine Chance für sichere Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Industrie. Das Image der Stahlindustrie war leider kein gutes in den vergangenen Jahren. Sie wurde mit schmutzigen und lauten Arbeitsbedingungen verknüpft. Aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes und der Notwendigkeit, diesen verringern zu müssen, wurde der Stahlindustrie auch keine große Zukunftsfähigkeit zugeschrieben. Das ändert sich grade grundlegend. Es wird der Beweis angetreten, dass Klimaschutz und industrielle Produktion nicht unversöhnlich gegenüberstehen. Das erhöht natürlich auch die Attraktivität der Arbeitsplätze. Gleichwohl wird auch der Arbeitsplatz attraktiver gestaltet. Die Transformation führt zu anderen Arbeitsplätzen, die in diesem Zug auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen verbessert werden. Diese Aspekte müssen für den Wettbewerb um die Fachkräfte der Zukunft in den Mittelpunkt gestellt werden.
Zur Person
Heiko Reese
Leiter des Stahlbüros | IG Metall
Heiko Reese ist Leiter des Stahlbüros der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall). Das Stahlbüro verantwortet die Branchenarbeit der IG Metall in der energieintensiven Industrie für die Branchen Stahl, Schmiede- und Gießereiindustrie sowie die Aluminiumindustrie. Heiko Reese gestaltet die Branchenarbeit der IG Metall für die Beschäftigten der Stahlindustrie. Er betreut die Konzern-, Gesamt- und Standortbetriebsräte in den Unternehmen thyssenkrupp Steel, Georgsmarienhütte und den Deutschen Edelstahlwerken und hat ebenfalls das Mandat der Gewerkschaft in deren Aufsichtsräten. Das Thema Energiepolitik für die energieintensive Industrie gehört ebenfalls zu seinen Aufgabenbereichen.
Über die Interviewreihe
In der Rubrik „Drei Fragen an...” kommen Fachleute aus den energieintensiven Industrien zu Wort. Sie geben Einblick in branchenspezifische Aspekte der Dekarbonisierung und sprechen über Strategien für eine klimaneutrale Industrie.
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