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Drei Fragen an... Hendrik Schuldt, carboneer

Eine Industrieanlage

Hendrik Schuldt ist Geschäftsführer von carboneer und unterstützt Unternehmen bei der Einhaltung klimapolitischer Vorschriften in Deutschland, Europa und weltweit. Aktuell liegt sein Fokus auf der Unterstützung von Importeuren aus der EU und Produzenten aus Nicht-EU-Ländern bei der CBAM-Berichterstattung und CBAM-Datenerhebung. In unserem Interview spricht er über die Entwicklung von Kohlenstoffmärkten (C-Märkte) sowie die Potenziale und Herausforderungen des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) für europäische Unternehmen.

So vorteilhaft CBAM in der Theorie auch klingt, der Mechanismus generiert teilweise erhebliche Compliance-Kosten für die regulierten Unternehmen.
Hendrik Schuldt, carboneer

Wie entwickeln sich C-Märkte angesichts der vorhandenen Technologien (CDR, CCU, CCS, etc.) und bestehenden Instrumente (z.B. EU-ETS)? Welchen strategischen Wert hat die Schaffung freiwilliger C-Märkte (VCM)?

Momentan beobachten wir einen starken Vormarsch von Carbon Dioxide Removal (CDR), Carbon Capture & Utilization (CCU) & Carbon Capture & Storage (CCS) sowohl auf freiwilligen aber auch auf verpflichtenden Kohlenstoff-Märkten. Befeuert durch die weltweit nicht von der Stelle kommenden Bemühungen zur nachhaltigen Reduktion von Emissionen, wird der Einsatz dieser Technologien und Verfahren unausweichlich. Andernfalls sind die globalen Klimaziele unerreichbar. Insbesondere zur Kompensation unvermeidbarer Restemissionen in der Industrie müssen CDR, CCU und CCS bis zur Mitte des Jahrhunderts technologisch und ökonomisch reif für den großflächigen Einsatz sein.

Freiwillige Kohlenstoffmärkte können dabei unterstützen, indem sie es Unternehmen schon heute ermöglichen, net-zero-Ziele mittels qualitativ hochwertiger Klima-Gutschriften zu erreichen. Dadurch kann ein erheblicher Teil der dringend benötigten Investitionen insbesondere für CDR finanziert werden. Unausweichlich ist letztendlich die Akzeptanz von CDR, CCU und CCS auf den verpflichtenden Märkten, wobei gezieltes Marktdesign sicherstellen muss, dass kein crowding-out von Emissionsreduktionen stattfindet.

Welche Potenziale sehen Sie bezüglich Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)? Welche Auswirkungen hat diese Verordnung auf den europäischen Markt und auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie?

CBAM markiert einen Umbruch in der internationalen Klimapolitik. Ab 2026 müssen Importeure bestimmter Waren in die EU eine Gebühr in Abhängigkeit der mit den Importgütern assoziierten Emissionen entrichten. Die Berichterstattung über die Emissionen startete bereits 2023. Ziel dieses Mechanismus ist die Eliminierung globaler Wettbewerbsnachteile aufgrund der Bepreisung von Emissionen in der EU.

Um die EU-Industrie dabei nicht zu übervorteilen, verringern im EU-Ausland gezahlte CO2-Preise die fällige Grenzabgabe für importierte Güter. Drittländer können also mit der Einführung von CO2-Preisinstrumenten die CO2-Intensität ihrer exportierenden Unternehmen senken und gleichzeitig deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem EU-Markt stärken. Dieser Sekundäreffekt ist von der EU-Kommission gewollt und stellt einen weiteren Schritt in die Richtung globaler CO2-Bepreisung dar. Um die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen allerdings nicht negativ zu beeinflussen, muss der CBAM regelmäßig neue Waren(gruppen) aufnehmen. So werden Anreize für nicht-EU Produzenten eliminiert, ihre Produktionsprozesse auf bisher nicht vom CBAM berücksichtigte Warengruppen zu erweitern.

Vor welchen momentanen Herausforderungen stehen die vom CBAM betroffenen Unternehmen in der EU?

So vorteilhaft CBAM in der Theorie auch klingt, der Mechanismus generiert teilweise erhebliche Compliance-Kosten für die regulierten Unternehmen. Diese sind bisher größtenteils mit den umfassen Berichtspflichten überfordert und stehen momentan vor der Aufgabe, Daten über die in den importieren Gütern enthaltenen Emissionen aus ihren Lieferketten abzufragen. Die Lieferanten im EU-Ausland haben bislang größtenteils keine Berührungspunkte mit CO2-Bilanzierung gehabt, und sind zumeist nicht in der Lage, die benötigten Daten zu liefern. Unvollständige oder falsche Berichterstattung über die importierten Emissionen kann zur Verhängung von Bußgeldern von bis zu 50 Euro pro Tonne CO2 führen. EU-Unternehmen haben bislang wenige Möglichkeiten, dieses Risiko aktiv zu managen und sind dadurch dem Ermessensspielraum der Behörden ausgeliefert. Zudem orientiert sich die Höhe der CBAM-Abgabe an den schwankenden CO2-Preisen im Europäischen Emissionshandelssystem, wodurch viele Unternehmen nun erstmals diesem unvorhersehbaren Kostenrisiko ausgesetzt sind. Hinzu kommt eine allgemeine regulatorische Unsicherheit durch die noch unklare finale Ausgestaltung des CBAM.

Zur Person

Hendrik Schuldt
carboneer

Hendrik Schuldt ist Geschäftsführer von carboneer und unterstützt Unternehmen bei der Einhaltung klimapolitischer Vorschriften in Deutschland, Europa und weltweit. Aktuell liegt sein Fokus auf der Unterstützung von Importeuren aus der EU und Produzenten aus Nicht-EU-Ländern bei der CBAM-Berichterstattung und CBAM-Datenerhebung. Parallel dazu leitet er die Klima-NGO Compensators. Zuvor arbeitete er für mehrere akademische Institutionen im Bereich Klimawandel, Klimapolitik, Transformationsökonomie und Finanzmärkte.

Über die Interviewreihe

In der Rubrik „Drei Fragen an...” kommen Fachleute aus den energieintensiven Industrien zu Wort. Sie geben Einblick in branchenspezifische Aspekte der Dekarbonisierung und sprechen über Strategien für eine klimaneutrale Industrie.

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