Papierherstellung verursacht hohe Treibhausgasemissionen
Papierprodukte begleiten unseren Alltag. Von Kaffeefiltern und Verpackungen bis zu Büchern und Hygieneartikeln. Deutschland zählt zu den größten Papierproduzenten weltweit, rund 500.000 Menschen sind entlang der Wertschöpfungskette beschäftigt. 2022 wurden rund 21,6 Millionen Tonnen Papier, Karton und Pappe in Deutschland produziert. Die Papier- und Zellstoffindustrie emittierte dabei 11,8 Millionen Tonnen fossil gebundenem CO₂. Das entspricht etwa sieben Prozent der Treibhausgasemissionen der deutschen Industrie und 1,6 Prozent der nationalen Gesamtemissionen.
Nahezu alle diese Emissionen entstehen energiebedingt. Die prozessbedingten CO₂-Emissionen sind im Vergleich dazu vernachlässigbar. Nach Angaben des Verbands der Papierindustrie entfallen 60–70 Prozent der energiebedingten Emissionen auf die Trocknung.
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Chance Dekarbonisierung
So funktioniert die Papier- und Zellstoffherstellung
weniger CO₂-Äquivalente
Durch eine Dekarbonisierung der Papier- und Zellstoffproduktion können rund 11,8 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden.
Erneuerbare Energien und Flexibilisierung als Schlüssel zur Dekarbonisierung
Die Papierindustrie hat ihre Hausaufgaben gemacht: Mit einem Altpapieranteil von 83 Prozent nutzt sie das Recyclingpotential konsequent aus. Weitere Steigerungen sind kaum möglich, da Frischfasern für Produkte mit besonderen Anforderungen an Festigkeit, Hygiene oder Qualität weiterhin unverzichtbar sind. Die Reduktion von Treibhausgasen gelingt vor allem durch Elektrifizierung, Wärmerückgewinnung, moderne Trocknungstechnologien, digitale Steuerung und intelligente Energienutzung sowohl in der Zellstoff- als auch in der Papierherstellung.
Vor allem die Trocknungsprozesse benötigen große Mengen an Prozesswärme und Strom. Innovationen wie Elektrodenkessel, Hochtemperatur-Wärmepumpen oder hybride Anlagen können fossile Energien schrittweise ersetzen und gleichzeitig flexibel auf volatile Strompreise reagieren.
Die Branche hat zwei Hebel zur Dekarbonisierung: erneuerbare Energien und Flexibilisierung elektrifizierter Produktionsprozesse. Entscheidend sind auch eine belastbare Energieinfrastruktur, wettbewerbsfähige Strompreise und verlässliche Rahmenbedingungen.
Politische Instrumente und Umweltkennzeichnungen
Hohe Netzentgelte und lange Wartezeiten für Netzanschlüsse bremsen Investitionen. Dynamische Netzentgelte, beschleunigte Genehmigungen und gezielte Förderprogramme wie die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz (BIK) sowie der Klima- und Transformationsfonds (KTF) könnten eine Flexibilisierung elektrifizierter Industrieprozesse wirtschaftlich machen und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Auch Marktmechanismen spielen eine zentrale Rolle: Umweltlabels wie FSC, PEFC, Blauer Engel oder das EU-Ecolabel sichern die nachhaltige Beschaffung von Rohstoffen. Gleichzeitig entlastet Recyclingpapier die Holz- und Zellstoffströme entlastet und spart Wasser, Energie und CO₂.
Langfristig kann Wasserstoff saisonale Energiespeicherung ermöglichen, wird für Prozesswärme in der Papierindustrie jedoch erst in Zukunft relevant. In den kommenden Jahren sind Stromnetze entscheidend, die Industrieunternehmen als flexible Partner:innen einbinden, sowie politische Maßnahmen, die Elektrifizierung fördern statt behindern.
Die Branche beweist, dass industrielle Dekarbonisierung möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn Politik, Netzbetreibende und Industrie zusammenarbeiten. Projekte wie die Modellfabrik Papier, Kabel ZERO oder SAHARA zeigen, wie gemeinschaftliche Forschung Innovationen voranbringt.
Drei Fragen an ...
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Dr. Heinz Joachim Schaffrath, TU Darmstadt
Dr. Heinz Joachim Schaffrath spricht im Interview über die Rezyklierbarkeit von Verpackungen und welche Herausforderungen Verbundmaterialien für das Recycling von Papierprodukten bergen.
Geförderte Projekte
Praxisbeispiele
Kabel ZERO
Tiefen-Geothermie-Anlage zur klimaneutralen Papiertrocknung
Hochspannungs-Elektrodenkessel
CO2-neutrale Wärmeproduktion u. a. in der Papierindustrie
Studien zur Dekarbonisierung der Papierindustrie
Weiterführende Informationen
- D.D. Furszyfer Del Rio et al. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 167 (2022) 112706
- Die Papierindustrie e. V. (2024): Papier 2024 – Ein Leistungsbericht. Berlin: Die Papierindustrie e. V.
- Die Papierindustrie. (2023). Transformation der Papierindustrie – Studie. Berlin. Die Papierindustrie e.V.
- M. Sun et al. (2018): Uncovering energy use, carbon emissions and environmental burdens of pulp and paper industry: A systematic review and meta-analysis. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 92, 823–833
- Umweltbundesamt (2024): Altpapier. Dessau-Roßlau, Umweltbundesamt.
- Umweltbundesamt (2024): Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Übereinkommen von Paris 2024. Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2022.
- Fleiter, Tobias (Hrsg.), Energieverbrauch und CO2-Emissionen industrieller Prozesstechnologien: Einsparpotenziale, Hemmnisse und Instrumente. 2013.
- Dietz, W., Meinl, G., Peche, R., Kreibe, S. (2020): Nachhaltiger Papierkreislauf – eine Faktenbasis. Augsburg, bifa Umweltinstitut GmbH
- Umweltbundesamt (2023): Zellstoff- und Papierindustrie. Dessau-Roßlau, Umweltbundesamt.
- Guminski, A., Rouyrre, E., Wiener, M. (2019): CO2-Verminderung im Papiergewerbe (Präsentation vom 27.11.2019). Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V.