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CCU-Technologie

Auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie

Eine Industrieanlage

In den vergangenen Jahren haben die Industriebranchen bereits Roadmaps und Strategien zur Dekarbonisierung ihrer Unternehmen erarbeitet, die vielfach auf gänzlich neuartige Produktionsverfahren setzen. Hierzu werden zukünftig viele Industriestandorte ganz oder teilweise umgebaut werden müssen. Im Vordergrund stehen dabei Technologien, bei denen prozessbedingte Treibhausgasemissionen gar nicht erst entstehen. In einzelnen Branchen (insbesondere in der Zement-, Kalk- und Glasindustrie) entstehen jedoch Emissionen, die nach heutigem Kenntnisstand auch in Zukunft schwer vermeidbar sein werden. Dort wird daher sogenanntes Carbon Capture, die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid, als möglicher Lösungsweg diskutiert. Welche Technologien verbergen sich hinter dem Begriff und für wen sind diese Technologien relevant?

CCU – CO2 als Rohstoff für Industrieprozesse

Die Abkürzung CCU steht für Carbon Capture and Utilization. Das heißt CO2 wird entweder aus einem (Industrie-)Prozess oder sogar direkt aus der Luft abgeschieden (DAC – Direct Air Capture) und einer anderen industriellen, stofflichen Nutzung zugeführt. Dabei wird das abgeschiedene CO2 zur Kohlenstoffquelle und damit zum Rohstoff für chemische oder biotechnologische Prozesse. So können beispielsweise Kunststoffe oder synthetische Kraftstoffe für die Luft- und Schifffahrt hergestellt oder das CO2 in Baumaterialien eingebunden werden. Ziel von CCU muss sein, CO2 möglichst dauerhaft zu binden oder im Kreislauf zu führen.

CCS – CO2-Speicherung in unterirdischen Lagerstätten

Im Unterschied zu CCU wird bei CCS (Carbon Capture and Storage) das abgeschiedene CO2 keiner weiteren Nutzung zugeführt, sondern stattdessen dauerhaft in der Regel gasförmig unterirdisch gespeichert. Die Speicherung erfolgt beispielsweise in ehemaligen Erdgas- und Erdöl-Lagerstätten. In einigen europäischen Nachbarstaaten, wie den NiederlandenGroßbritannien oder Norwegen wird die CCS-Technologie bereits angewendet beziehungsweise deren großmaßstäblicher Einsatz vorbereitet. Einen anderen Ansatz verfolgt hingegen Island. Bei diesem Ansatz wird CO2 in Basaltgestein injiziert, in dem es innerhalb weniger Jahre fest eingebunden wird. In Deutschland regelt das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) aus 2012 die Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in unterirdischen Gesteinsschichten und Speichern. Das KSpG lässt die Erforschung, Erprobung und Demonstration der CO2-Speicherung in begrenztem Ausmaß zu. 

Wahl der richtigen CCU-Technologie entscheidend für Treibhausgasminderung

In der Industrie können drei Arten von CO2-Emissionen unterschieden werden: die direkten energiebedingten, die indirekt energiebedingten und die prozessbedingten Emissionen. Es ist deshalb grundsätzlich zu prüfen, ob CO2-Emissionen von vornherein vollständig vermieden werden können. Zum Beispiel durch Effizienzsteigerungen, die Elektrifizierung von Prozessen, den Einsatz von Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien oder durch die Substitution von Materialien. Die Vermeidung von Emissionen ist immer der Nutzung oder Speicherung des abgeschiedenen CO2 vorzuziehen.

Nutzung von Kohlendioxid für die energieintensive Grundstoffproduktion

Aus CO2 können mit Hilfe erneuerbarer elektrischer Energie etwa Grundstoffe für die Kunststoffproduktion (z. B. Methanol) oder auch synthetische Energieträger (z. B. Flugzeugkerosin) hergestellt werden. Dadurch können fossile Rohstoffe (z. B. Erdöl und Erdgas) eingespart und durch diesen Substitutionseffekt eine Treibhausgasminderung erzielt werden. Bei der Nutzung von CO2 in chemischen Produkten besteht langfristig die Möglichkeit, dass dieser Kohlenstoff beispielsweise durch chemisches oder mechanisches Recycling im Kreislauf verbleibt und so weitere CO2-Einsparungen erreicht werden.

Klimaschutzpotenzial von CCU-Technologien

CCU-Technologien können so unter bestimmten Bedingungen zur Minderung der Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz beitragen. Fakt ist, sie alle benötigen große Mengen an Strom und Wärme. Diese Energie muss zwingend emissionsfrei erzeugt sein, ansonsten besteht die Gefahr, dass durch CCU sogar mehr CO2 emittiert wird als ohne. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine direkte Elektrifizierung einiger Anwendungen zu einer effizienteren Nutzung der erneuerbaren Energie führt. Als Beispiel: Für den Antrieb eines Elektrofahrzeugs wird nur ein Fünftel des Stroms benötigt, der für die Herstellung von synthetischem Treibstoff über die Power-to-Liquid-Technologie für die gleiche Fahrstrecke aufgewendet werden muss.

CCU in der energieintensiven Industrie

Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von CCU-Technologien ist von Bedeutung für welche Prozesse und unter welchen Bedingungen CCU eingesetzt wird. Zu diesen zählen zum Beispiel die Herkunft des CO2 (fossil, biogen, atmosphärisch), die Art der Verwendung (synthetische Kraftstoffe, Kunststoffe, Baustoffe) und die eingesetzte erneuerbare Energie. Für bestimmte energieintensive Industrien (insbesondere für die Zement-, Kalk- und Glasbranche) kann CCU derzeit dennoch eine Möglichkeit sein, um ihre schwer vermeidbaren prozessbedingten Treibhausgasemissionen zu reduzieren, bis weitere Vermeidungsoptionen entwickelt sind. Für die chemische Industrie werden CCU-Technologien auch langfristig wichtig sein, um CO2 als Rohstoff nutzbar zu machen.

Carbon Management-Strategie

Notwendige Anwendungsgebiete der CCU und CCS-Technologien aber auch die Frage, wo CO2 gespeichert werden könnte, insbesondere unter dem Meeresboden, sollen im Rahmen der von der Bundesregierung geplanten Carbon Management-Strategie beleuchtet werden. Diese soll im Laufe des Jahres 2023 vorgelegt werden. 

Drei Fragen an...

Portraitfoto Dr. Elisabeth Dütschke

Dr. Elisabeth Dütschke, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Im Interview spricht Dr. Elisabeth Dütschke über CCS-Technologien als Übergangslösung auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie sowie über Instrumente zur Akzeptanzförderung für Klimaschutz und Transformation.

Zum Interview

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Studien und Beiträge zu CCU und CCS