Stahlindustrie hat den größten Anteil an den Industrieemissionen
Stahl wird aufgrund seiner Eigenschaften in Bezug auf Festigkeit, Verformbarkeit und Widerstandsfähigkeit nahezu in jedem Gebäude, Haushaltsgerät oder Fahrzeug verbaut. Auf dem Weg in eine klimaneutrale Industrie hat die Stahlindustrie eine zentrale Bedeutung.
Die deutsche Stahlindustrie produzierte im Jahr 2019 rund 40 Millionen Tonnen Rohstahl. Die Herstellung von Stahl ist besonders klimaintensiv. Pro Jahr werden circa 55 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Das entspricht rund 28 Prozent der gesamten Industrieemissionen Deutschlands. Ein Großteil des Kohlendioxidausstoßes entsteht prozessbedingt durch die Verbrennung von Koks. Weitere relevante Emissionen sind auf die Nutzung von elektrischem Strom aus fossilen Energieträgern zurückzuführen. Die Stahlindustrie gehört damit zu den energieintensivsten Industrien.
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Technologiewechsel als Voraussetzung für die vollständige Dekarbonisierung
Um CO2-Einsparungen in der Stahlindustrie zu erreichen, sind weitgehende Veränderungen des Produktionsprozesses nötig. Die aussichtsreichste Option zum Vermindern der CO2-Emissionen ist der Verzicht auf Koks, mit dem Eisenerz im Hochofen reduziert und aufgeschmolzen wird („Hochofenroute“). Bei der sogenannten Direktreduktion, die zukünftig zur Herstellung von „grünem Stahl“ angewendet werden soll, wird stattdessen Wasserstoff als Reduktionsmittel eingesetzt. Übergangsweise ist auch die Nutzung von Erdgas oder Gasgemischen möglich. Der hierbei erzeugte Eisenschwamm kann anschließend in einem Elektrolichtbogenofen mit Hilfe elektrischer Energie eingeschmolzen und zu Stahl weiterverarbeitet werden. Auch Schrott wird durch diesen Prozess einer Weiterverwertung zugeführt.
Die Branche arbeitet kontinuierlich daran, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Durch Erhöhung des Schrottanteils in der Rohstahlherstellung konnten bereits erhebliche Effizienzsteigerungen erzielt und die CO2-Emissionen deutlich verringert werden. Allerdings reicht deren Einsparpotenzial nicht aus, um eine vollständige Dekarbonisierung der Rohstahlerzeugung umzusetzen. Dafür ist ein vollständiger Technologiewechsel notwendig, der eine Alternative zur klimaintensiven Hochofenroute bietet.
Durch eine Dekarbonisierung der Stahlerzeugung können 28 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Industrie eingespart werden.
Speicherung und Abscheidung von CO2-Emissionen
Weitere Optionen zielen darauf ab, prozessbedingt entstandene CO2-Emissionen abzuscheiden und zu speichern (Carbon Capture and Storage – CCS) oder einer anderen industriellen Nutzung zuzuführen (Carbon Capture and Usage – CCU). Dazu diskutiert die Branche derzeit verschiedene Kombinationen der Technologien. Die Verfahren haben aber alle einen sehr hohen zusätzlichen Energiebedarf und können nur in begrenztem Umfang CO2 abscheiden.
Reinvestitionen als Chance für die Transformation
Herausforderungen bestehen für die Stahlindustrie unter anderem in den jahrzehntelangen Investitionszyklen. Für etwa die Hälfte der deutschen Hochöfen steht eine Reinvestition bis zum Jahr 2030 an. Daher müssen die Grundlagen für die Transformation zur Treibhausgasneutralität in den kommenden Jahren geschaffen werden.
Für die Umsetzung ist es zwingend erforderlich, dass technische und regulatorische Anforderungen bedacht werden. So müssen erneuerbare Energien und grüner Wasserstoff in ausreichender Menge am Produktionsort zur Verfügung stehen. Da es keine Qualitätsunterschiede zwischen treibhausgasneutral erzeugtem und konventionell erzeugtem Stahl gibt, ist eine marktregulatorische Aufwertung des klimaneutralen Produkts nötig. Auch müssen vorhandene metallurgische Schwierigkeiten bei der wasserstoffbasierten Direktreduktion durch gezielte Forschung behoben werden.
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María de la Garza
Referentin Think Tank und Strategische Vorhaben
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Fachforum Stahl
Die KEI Fachforen bringen regelmäßig Branchenexpert*innen der energieintensiven Industrie zusammen.
Klimaneutrale Stahlindustrie
Drei Fragen an...
Jörg Kubitza, Ørsted
Im Interview erläutert Jörg Kubitza, welchen Beitrag die Offshore-Windindustrie zum Markthochlauf von grünem Stahl leisten kann.
Lisa-Maria Okken und Felix Schmidt, WWF Deutschland
Im Interview sprechen die Politikberater unter anderem darüber, wie der Europäische Emissionshandel als Investitionsanreiz in Transformationsmaßnahmen weiterentwickelt werden kann.

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Heiko Reese, IG Metall
Im Interview spricht Heiko Reese darüber, wie die Fachkräfte im Transformationsprozess der Stahlbranche aus Gewerkschaftsperspektive mitgenommen werden können.
Dr. Martin Theuringer, Wirtschaftsvereinigung Stahl
Dr. Martin Theuringer spricht über Herausforderungen für die Einführung von grünem Stahl und effektive Leitmarktinstrumente zur Sicherung dessen Wettbewerbsfähigkeit.
Geförderte Projekte

EVAGMH
Der Stahlhersteller Georgsmarienhütte errichtet eine mit Grünstrom betriebene induktive Einzelstabvergütungsanlage zur treibhausgasarmen Wärmebehandlung von Stabstahl.
EVA2GMH
Der Stahlhersteller Georgsmarienhütte errichtet eine mit Grünstrom betriebene induktive Einzelstabvergütungsanlage zur treibhausgasarmen Wärmebehandlung von Stabstahl mit großen Abmessungen.
WAGEOS2SHS
Die Lech-Stahlwerke und das Recyclingunternehmen Max Aicher Umwelt entwickeln mit den Zementproduzenten Holcim und Märker einen klimaschonenden Klinkerersatzstoff aus der Elektroofenschlacke von recyceltem Schrott.
Weitere Praxisbeispiele

Siderwin
Europäisches Forschungsprojekt, bei dem in einem elektrolytischen Prozess Eisenerz zu Eisen reduziert werden soll, ohne dass ein CO2-haltiges Reduktionsmittel eingesetzt wird.

HYBRIT
Pilotanlage von SSAB, LKAB und Vattenfall zur Speicherung von fossilfreiem Wasserstoffgas