Stahlindustrie hat den größten Anteil an den Industrieemissionen
Stahl findet wegen seiner Festigkeit, Verformbarkeit und Widerstandsfähigkeit in fast jedem Gebäude, Haushaltsgerät und Fahrzeug Verwendung. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie spielt die Stahlindustrie eine Schlüsselrolle.
Die deutsche Stahlindustrie produzierte im Jahr 2022 rund 37 Millionen Tonnen Stahl und emittierte dadurch circa 48,9 Millionen Tonnen CO₂. Das entspricht 29 Prozent der gesamten Industrieemissionen in Deutschland [UBA, 2024]. Ein Großteil des Kohlenstoffdioxidausstoßes entsteht dabei prozessbedingt durch die Verbrennung von Kohle. Weitere Emissionen resultieren aus der Nutzung von Strom, der aus fossilen Energieträgern stammt. Damit zählt die Stahlindustrie zu den emissionsreichsten Industriesektoren.
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Technologiewechsel als Voraussetzung für die vollständige Dekarbonisierung
Um CO2-Einsparungen in der Stahlindustrie zu erreichen, sind weitgehende Veränderungen des Produktionsprozesses nötig. Die aussichtsreichste Option zum Vermindern der CO2-Emissionen ist der Verzicht auf Kohle, mit dem Eisenerz im Hochofen reduziert und aufgeschmolzen wird („Hochofenroute“). Bei der sogenannten Direktreduktion, die zukünftig zur Herstellung von „grünem Stahl“ angewendet werden soll, wird stattdessen Wasserstoff als Reduktionsmittel eingesetzt. Übergangsweise ist auch die Nutzung von Erdgas oder Gasgemischen möglich. Der hierbei erzeugte Eisenschwamm kann anschließend in einem Elektrolichtbogenofen mithilfe elektrischer Energie eingeschmolzen und zu Stahl weiterverarbeitet werden. Auch Schrott wird durch diesen Prozess einer Weiterverwertung zugeführt.
Die Branche arbeitet kontinuierlich daran, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Durch Erhöhung des Schrottanteils in der Rohstahlherstellung konnten bereits erhebliche Effizienzsteigerungen erzielt und die CO2-Emissionen deutlich verringert werden. Allerdings reicht deren Einsparpotenzial nicht aus, um eine vollständige Dekarbonisierung der Rohstahlerzeugung umzusetzen. Dafür ist ein vollständiger Technologiewechsel notwendig, der eine Alternative zur klimaintensiven Hochofenroute bietet.
Durch eine Dekarbonisierung der Stahlerzeugung können 28 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Industrie eingespart werden.
Speicherung und Abscheidung von CO2-Emissionen
Weitere Optionen zielen darauf ab, prozessbedingt entstandene CO2-Emissionen abzuscheiden und zu speichern (Carbon Capture and Storage – CCS) oder einer anderen industriellen Nutzung zuzuführen (Carbon Capture and Usage – CCU). Dazu diskutiert die Branche derzeit verschiedene Kombinationen der Technologien. Die Verfahren haben aber alle einen sehr hohen zusätzlichen Energiebedarf und können nur in begrenztem Umfang CO2 abscheiden.
Reinvestitionen als Chance für die Transformation
Herausforderungen bestehen für die Stahlindustrie unter anderem in den jahrzehntelangen Investitionszyklen. Für etwa die Hälfte der deutschen Hochöfen steht eine Reinvestition bis zum Jahr 2030 an. Daher müssen die Grundlagen für die Transformation zur Treibhausgasneutralität in den kommenden Jahren geschaffen werden.
Für die Umsetzung ist es zwingend erforderlich, dass technische und regulatorische Anforderungen bedacht werden. So müssen erneuerbare Energien und grüner Wasserstoff in ausreichender Menge am Produktionsort zur Verfügung stehen. Da es keine Qualitätsunterschiede zwischen treibhausgasneutral erzeugtem und konventionell erzeugtem Stahl gibt, ist eine marktregulatorische Aufwertung des klimaneutralen Produkts nötig. Auch müssen vorhandene metallurgische Schwierigkeiten bei der wasserstoffbasierten Direktreduktion durch gezielte Forschung behoben werden.
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Die KEI Fachforen bringen regelmäßig Branchenexpert*innen der energieintensiven Industrie zusammen.
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